Michael Wilde, der
Chef vom Dienst bei heise online hat
am Montag angekündigt, dass alle Beiträge, die älter als zwei Jahre sind, aus den legendären Newsticker-Foren gelöscht werden sollen:
wir werden in den nächsten Tagen damit beginnen, Newsticker-Foren
sowie Foren aus dem Extra-Bereich der user2User-Foren zu löschen, die
älter als zwei Jahre sind. Bisher haben wir zwar so gut wie nie Foren
geschlossen, doch uns ist vor einiger Zeit aufgefallen, dass viele
Diskussionen, die vor Jahren in den Foren stattgefunden haben, heute
keine Bedeutung mehr haben.
Die Ankündigung hat zu erheblichem Protest geführt, der keineswegs in das leider für heise typische wilde
Trollen auswuchs, sondern überwiegend wohlbegründet ist. Viele halten die heise-Foren für ein Stück Kulturgut.
Unter anderem wurden die Einträge rund um den 11. September 2001 als erhaltenswert genannt, aber auch die Gründung der Bürgerrechtsinitiative Stop 1984, die tatsächlich im heise-Forum initiiert wurde.
Am Mittwoch
schrieb Wilde dann konkret, dass die Löschung am Donnerstag beginnen werde. Heise online wolle jedoch ein
Backup zurückbehalten und
überlegen, ob die archivierten Beiträge der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
Wilde betont, dass lediglich "redaktionelle Gründe" für die Löschaktion vorlägen:
Die
Maßnahme hat keine technischen Gründe, sondern ausschließlich
redaktionelle. Es sind weder Spendenaktionen, noch technische
Ratschläge erforderlich.
Welche diese Gründe im Einzelnen sind, blieb bislang unerwähnt.
Und ausgerechnet dem technophilen Publikum zu sagen, dass technische Ratschläge nicht erwünscht seien, ist heikel. Viele fühlen sich hierdurch offenbar brüskiert.
Für die Forenteilnehmer typische Protestaktionen wurden angekündigt. Neben den übliche Abo-Kündigungen vor allem das Löschen von Links auf das Angebot von heise online aus Weblogs, Foren und anderen Online-Angeboten.
Tatsächlich ist das heise-Forum ein Stück Kultur. Auch dieses Forum kann als Quelle dienen, späteren Generationen zum Beispiel, die vielleicht etwas erforschen, was heute noch gar nicht angedacht ist. Soziologen möchten vielleicht nachlesen, was zu einem bestimmten Zeitpunkt Wissensstand der heise-Leserschaft war, Psychologen die Reaktion auf bestimmte Meldungen, Trollmanöver oder die Auswirkungen tendenziöser Berichterstattung erforschen. Allein die zahlreichen Diskussionen über sogenannte "Killerspiele" oder die einzelnen Versuche, das Urheberrecht zu reformieren, sind spannender Lesestoff.
Die ganze Angelegenheit verdeutlicht einmal mehr ein spezifisches Problem des
WWW: Während Quellen dort
leicht aufzufinden, für jedermann verfügbar und durch Verlinkung leicht zu benennen sind, ist ihre
Beständigkeit höchst fraglich. Das Internet ist robust und verteilt, doch das
Web als seine bekannteste Anwendung ist zentralistisch. Informationen liegen nur an einzelnen Orten, nämlich auf den Webservern. Und Webseiten verschwinden schonmal. Wenn selbst heise online sich entschließt, Foren zu löschen, dann ist eigentlich nichts mehr sicher.
Einzelne Seiten und kleinere Sites kann man lokal sichern. (Komfortabel geht das mit der
Firefox-Erweiterung ScrapBook.) Aber im heise-Fall bräuchte es eine Art "Backup vom ganzen Web", mindestens aber von den 10 Millionen bedrohten Forenbeiträgen.
Doch das ist vermutlich ein unlösbares Problem. Das "Webarchiv"
archive.org ist nicht vollständig. Auf die
Deutsche Nationalbibliothek sollte man lieber nicht vertrauen. Das deutsche Urheberrecht ignoriert den immateriellen Verbreitungsweg von Webseiten, weswegen Spiegeln (
Mirroring) als Urheberrechtsverletzung aufgefasst werden kann.
Kurz: Es droht
das digitale Vergessen.
Ralphs Piratenblog am : Heise löscht Forum (Update: Rette deine Beiträge)