Die Computerbild hat in 01/2009 eine verkaufte Auflage von 735.717 Exemplaren (Quelle IVW). Sind das alles Freaks oder doch Menschen die uns täglich auf der Strasse begegnen?
Wie bitte, die Computer Bild? Nun, natürlich sind das alles Freaks. (Verdammt!)
Und zwar im negativen Sinne. Sie sind die "Auskenner", die für Bekannte Windows installieren und "geheime Tuning-Tipps" anwenden, die Festplatten durch "überformatieren" zu löschen versuchen und hinter "Desktop-Firewalls" Schutz suchen. Sie saugen die "heißesten Tools" aus dem Netz, haben megapixeltriefende Digitalkameras aus dem Geil-Markt, halten den "Farbraum" aber für eine Goa-Disko.
Die — Zitat: "blasssen, pickeligen Computerfrettchen" von früher, die Nerds, nutzten ihr Hirn überdurchschnittlich. Bei vielen ComputerBLÖD-Lesern darf man das wohl bezweifeln. Das Heftchen ist mir weder für die Vermittlung abstrakten Hintergrundwissens noch für seine bürgerrechtsfreundliche Linie bekannt. Umso verwunderlicher, dass die rhetorisch gemeinte Frage auch von netzpolitik.org zitiert wird.
Sicher, es ist gut, dass die IT den Mainstream erreicht hat, dass komplizierte aber alltägliche Dinge auf das Maß der Massen heruntergebrochen werden. Doch was populär ist, wird nicht unbedingt verstanden. Der Ewige September gräbt Spuren in den digitalen Acker, in denen die Springer-Presse dem Tross nun dankbar hinterherfährt. Die dreiviertelmillion Computer-BILD-Leser sind keine Geeks und auch keine Innenexperten.
Sie sind zwar nicht mehr zu denen zu zählen, die im (wirklich großartigen) Spiegel-Online-Artikel "Die Generation C64 schlägt zurück" als "digitale Immigranten" bezeichnet werden, aber noch — da bin ich Pessimist — bilden sie zum Teil den Nährboden für Stoppschildpropaganda und Angstrhetorik.
Und dann ist da noch das nervtötende, verständnislose Geseier von Leuten, die selbst keinen C64 hatten, und finden, dass ihre Generation ganz anders heißen sollte. Da ein sarkastisches "Ohhhh, Mitleid!" ihnen wohl nicht als Augenöffner reichen wird, versuchen wir es mal mit harten Fakten aus der Wikipedia:
Er gilt mit über 30 Mio. verkauften Geräten als der meistverkaufte Heimcomputer weltweit. Der C64 ermöglichte mit seiner umfangreichen Hardwareausstattung zu einem erschwinglichen Preis (erst nach einer teureren Anfangsphase) einer ganzen Generation von Jugendlichen in den 1980er Jahren erstmals einen Zugang zu einem für diese Zeit leistungsstarken Rechner.
(Hervorhebungen von mir.)
Einen Atari oder Amiga oder sowas gehabt zu haben ist ok. Nicht in Assembler programmiert zu haben ist ok. Auch später dazugekommen zu sein ist ok. Aber dumme Bemerkungen über den C64 sind peinlich.
Der Commodore 64 war ein Massenphänomen der IT, die damals noch EDV hieß, und der Einstieg verdammt vieler in eine Welt, aus der dann später irgendwann mal das Internet hervorging. Peek, Poke und RS232 erlaubten den kreativen, respektlosen Umgang mit der Technik. Der Soundchip SID prägte eine eigene Stilrichtung der Musik. Undokumentierte Funktionen und wilde Hacks brachten unerwartete Grafikzaubereien hervor, in der Demoszene gibt es noch heute Wettbewerbe mit dem C64. (Und die Spiele waren sowieso die besten.)
"Generation C64" ist also nicht minder korrekt als "Generation Golf" — zu der gehören auch die Opelfahrer. Face it.
"Brotkasten" und andere historische Homecomputer im Computermuseum der "Kiberpipa" (Cyberpipe) in Ljubljana, Slowenien.