Es ist wohl eine Besonderheit unserer Zeit, dass man inzwischen
erstaunt ist, wenn man mit Support-Anfragen etwas
erreicht, anstatt mit ewig gleichen Standardmails abgewimmelt zu werden. Dass letzteres die Regel ist, könnte man zumindest vermuten, wenn man zum Beispiel "Vorsicht Kunde" in der
c't liest.
Ein Freund von mir erzählte mir einmal, dass er am Telefon dem Kundenservice eines Unternehmens relativ schnell klarzumachen versucht, dass er vom Fach ist und sein Anliegen ohnehin nicht von demjenigen, der seinen Anruf zuerst entgegennimmt, bearbeitet werden kann. Scherzhaft formulierte er:
Guten Tag, ich möchte gerne gleich mit jemandem sprechen, der sich auskennt.
Wir haben uns köstlich amüsiert, aber mit einer solchen Plattitüde erreicht man natürlich nichts. Die Mitarbeiter im
First-Level-Support größerer Unternehmen hören und lesen täglich irgendwelche mehr oder weniger sinnvollen Phrasen — und sicher auch eine Menge Drohungen.
Dennoch habe ich die Erfahrung gemacht, dass ein klar umschriebenes Problem, eventuell sogar mit Diagnosedaten angereichert, den Support spätestens im zweiten Anlauf anscheinend so verwirren kann, dass das Anliegen an einen qualifizierteren Mitarbeiter weitergegeben wird. Oder dass man sich doch einen Moment mehr Zeit nimmt, statt nur Textbausteine zu kombinieren.
In der Vergangenheit ist mir das bei vier Unternehmen gelungen:
Home of Hardware,
DHL, dem
Hermes-Versand und
Garmin...
DHL
In der Reihe nimmt
DHL eine geradezu glorreiche Sonderrolle ein, denn der Logistikriese betreibt einen Twitter-Account und ist somit leicht zu erreichen — zumindest wenn das Anliegen in 140 Zeichen passt. Ein paar kurze und erstaunlich freundliche Dialoge mit DHL führte vor kurzem zu Verbesserungen am Portal für Online-Frankierungen. Unter anderem wies ich DHL
darauf hin, dass der Portokalkulator nicht funktioniert, wenn man den Tracker
SiteCatalyst blockiert.
Außerhalb der Geschäftszeiten, also dann, wenn die Online-Frankierung besonders nützlich ist, ist DHL allerdings nicht zu erreichen. Das Portal war daher am letzten Sonntag für einige Stunden disfunktional.
Garmin
Die Firma
Garmin, Hersteller von Navigationssystemen für alle möglichen Anwendungsfelder, hatte ich wegen eines Problems mit dem Download und der Installation von Kartenmaterial zunächst mit einer einfachen Anfrage behelligt. Die dazu benötigte Software funktionierte nicht, auch nicht in der neuesten Version. Die erste Antwort lautete, ich solle die neueste Software installieren. Ähm, ja.
Um zu verhindern, dass wir uns weiter im Kreis drehen, lieferte ich unter derselben Ticketnummer zahlreiche technische Details, darunter nicht nur eine Liste der Dinge, die ich bereits probiert hatte, sondern auch Informationen über das Verhalten der Software in Sonderfällen, die einem normalen Anwender nicht auffallen würden (zum Beispiel bei automatischer Proxy-Bekanntmachung per WPAD), und wie ich diese Sonderfälle auszuschließen versuchte.
Darauf bekam ich dann eine sehr umfassende
Anleitung zum systematischen Vorgehen gegen das Problem — inklusive Link zu einer offenbar neueren Version der Software, die so nicht im Netz verbreitet wird, und einer umfangreichen
Diagnoseanleitung mit Link zu speziellen Diagnose-Werkzeugen für den Fall, dass sich mein Problem nicht lösen lässt und weitergehend analysiert werden muss.
Das ist schon ziemlich großartig und hat mein Problem gelöst, hinterlässt aber einen kleinen Beigeschmack: Möglich, dass Garmin solche Anleitungen nur an Menschen schickt, die bereits gezeigt haben, dass sie viel Zeit zu investieren bereit sind. Wäre ich in derselben Zeit meiner eigentlichen Arbeit nachgegangen, hätte ich vom verdienten Geld einfach ein ganz neues Gerät kaufen können.
Home of Hardware
Home of Hardware (HoH) ist ein altbekannter Anbieter von Computerprodukten, der inzwischen von
getgoods.de übernommen wurde, welcher wiederum
inzwischen zu
Conrad Electronic gehört. Vor Jahren hatte ich dort etwas bestellt und dabei eine E-Mail-Adresse verwendet, die ich extra für diesen Shop eingerichtet hatte. Letztes Jahr bekam ich an diese Adresse plötzlich Spam und versuchte, dem Kundenservice zu erklären, dass es ein Datenleck gegeben haben müsse.
Die erste Antwort von getgoods — eine HTML-Mail mit weißer Schrift auf weißem Grund — bestand aus einer Grußformel, auf die direkt ein langer Textblock folgte:
"Datenschutz / 3. Nutzung und Weitergabe an Dritte" — vermutlich eine Kopie aus den AGB. Darauf folgte der Satz:
Wir sind uns dieser Mails bewusst und versichern Ihnen, dass diese Nachrichten nicht von uns stammen.
Vielmehr versucht der unbekannte Absender Ihnen vorzugaukeln, dass wir der Ursprung seien und verschickt seine Mails wahllos an zufällige Empfänger.
Man hatte also schon mal nicht verstanden, dass es nicht um die bekanntermaßen leicht fälschbare
Absenderadresse ging und reflexartig einen allgemeinen Textbaustein zur Spamproblematik eingefügt. Und widersprach sich darauf gleich selbst:
E-Mails unserer Mitarbeiter stammen stets von „@getgoods.de“, „@hoh.de“ oder „@shop-htm.de“ , „@service-gg.de“ in der Absenderadresse und verweisen immer auf unsere Festnetz-Servicenummer 030 - XXX.
Das ist schlecht, sehr schlecht.
Aber getgoods schrieb auch auch:
Bitte zögern Sie nicht uns erneut zu kontaktieren, wenn Sie sich erneut solcher Belästigung gewahr werden oder wir Ihnen anderweitig helfen können.
Aber gerne doch:
Ich glaube, Sie missverstehen mich. Dass der Absender gefälscht sein könnte, ist für mich eine Binsenweisheit. (Daher ist Ihr Hinweis auf die korrekten Absenderdomains auch wenig nützlich - eben die können ja gefälscht sein.)
Aber die Adresse, *an* die der Spam ging, ist die, um die es geht. Ich habe bei Ihnen als Kunde damals eine Adresse hinterlegt, die ich
*nirgendwo* sonst verwende, und die eindeutigen Rückschluss auf hoh.de zulässt. Und die Spammail ging *an* diese Adresse.
Dass die "ausprobiert" wurde, halte ich für unwahrscheinlich, denn mit anderen Domains passiert das meiner Erfahrung nach nicht.
Daher ist anzunehmen, dass Spammer die Adresse aus Ihrer Kundendatenbank bekommen haben. WIE das passiert sein könnte, darüber kann ich allenfalls Vermutungen anstellen.
Dass ich Vermutungen anstelle wollte man bei getgoods dann wohl doch vermeiden und so erhielt ich nach einiger Zeit ein Schreiben des Datenschutzbeauftragten des Unternehmens. (Übrigens als PDF im Mailanhang, was mich ein wenig an die manchmal umständliche Korrespondenz mit
Juristen erinnert, die offenbar der Ansicht sind, eingescannte Unterschriften hätten eine besondere Wirkung. Das Schreiben enthielt allerdings keine solche.)
In dem Schreiben räumt der Datenschutzbeauftragte ein, dass es bei HoH im "Jahre 2010/2011" einen Einbruch bzw. ein Datenleck gegeben haben könnte, was jedoch weder bewiesen noch ausgeschlossen werden konnte. Die damaligen Betreiber des Portals hatten Strafantrag gestellt, das Aktenzeichen wurde mir mitgeteilt, dazu weitere Informationen zu den Ereignissen:
Das Ermittlungsverfahren wurde dann relativ bald mangels brauchbarer Ansätze eingestellt, da die vorhandenen
Kommunikationsspuren nicht weiter geführt haben. Vor allem der Ansatz, dass Datensätze damals veräußert
wurden, konnte nicht weiter nachvollzogen werden.
Nach der Einstellung des Ermittlungsverfahrens hatte die ehemalige HoH GmbH keine weiteren Schritte
unternommen.
Die Weitervermarktung und gegebenenfalls das Abhandenkommen der damals erhaltenen Adressen liegt
demnach im Verantwortungsbereich der damaligen Betreiber des Internetportals. Dies können wir leider nicht
mehr beeinflussen.
Diese Reaktion finde ich durchaus vorbildlich. Für den Vorfall von damals kann getgoods natürlich nichts. Dass die Support-Mitarbeiterin nicht darüber informiert ist, kann man dem Unternehmen ebenfalls schlecht verübeln. Dass sie mein Anliegen nicht verstanden hatte, ist allerdings ein unnötiges Ärgernis.
Hermes-Versand
Ähnlich wie bei HoH musste ich beim
Hermes-Versand zunächst durch Nachsetzen die First-Level-Mauer durchbrechen. Der kleine Hinweis, dass der DNS-Eintrag für
hermes-versand.de
(ohne "www." davor) fehlt, hätte eigentlich auch gleich an die Administration weitergegeben werden können. Denn das ist nicht nur ein wenig peinlich, es kann auch zu Umsatzverlusten führen, wenn verwirrte Nutzer aufgeben, weil die Webseite nicht erreichbar scheint. Doch:
Der von Ihnen beschriebene Zusammenhang kann nicht nachgestellt werden.
Ach nein?
Sowohl mit www. oder auch ohne www. kommen man auf das selbe Suchergebnis.
Hier hat jemand etwas ganz grundsätzliches nicht verstanden.
Um Ihnen zu dem geschilderten Problem eine L�sung anbieten zu k�nnen, ben�tigen wir weitere Informationen.
- die Schritte vor Eintritt des Problemes
- den Wortlaut der Fehlermeldung bzw. eine Beschreibung des Bildschirminhaltes
(...)
- die technischen Vorraussetzungen (Browserversion, Betriebssystem, Adobe Reader-Version, Sicherheitsprogramm
(...)
�
Hintergrund f�r Funktionsst�rungen k�nnen unter anderem sein:
- der Empfang von Cookies ist gesperrt
- die Ausf�hrung von JAVA-Scripts ist deaktiviert
- Addons wie z.B. Adblock-Plus (Mozilla Firefox)"
Und das mit dem Encoding bekommt man bei Hermes auch nicht hin. Eine Bemerkung über HTML-Mails verkniff ich mir und schrieb:
Vielen Dank für Ihren Textbaustein.
Das Problem hat nichts mit dem Betriebssystem oder Browsererweiterungen
zu tun, sondern mit fehlerhaften Einstellungen des DNS-Servers. Es fehlt
der A-Record (oder CNAME-Eintrag) für hermes-versand.de.
Den von mir beschriebenen Zusammenhang können Sie "nachstellen", in dem
sie eine DNS-Abfrage auf hermes-versand.de machen. Unter Unix-artigen
Systemen (Linux, MacOS etc.) geht das mit dem Kommando 'host', unter
Windows mit 'nslookup':
$ host www.hermes-versand.de
www.hermes-versand.de is an alias for wwr.hermes-logistik-gruppe.de.
wwr.hermes-logistik-gruppe.de has address 195.68.198.89
$ host hermes-versand.de
hermes-versand.de mail is handled by 10 mail.hermes-vs.de.
hermes-versand.de mail is handled by 15 mailout.hermes-vs.de.
Wie man sehen kann, ist nur für den host "www" ein CNAME gesetzt. Es
fehlt der Eintrag für hermes-versand.de, für den es nur MX-Einträge gibt.
Danach hat Hermes das Problem an die "zuständige Fachabteilung weitergeleitet" und behoben.
Jetzt stellt sich mir nur noch die Frage:
Wer supportet hier eigentlich wen? Und wieso bekomme ich kein Geld dafür?